GIPS: EIGENSCHAFTEN, HERKUNFT UND VERWENDUNG
Alleskönner Gips
Gips kennen wir alle: als Gipsverband bei einem gebrochenen Bein oder Arm, als Gipskartonplatte oder als Spachtelmasse beim Bau. Ob lokaler Wohnungsbau oder internationale Spitzenarchitektur wie die Elbphilharmonie in Hamburg – stehts kommt Gips zum Einsatz. Der wertvolle Stoff hat dabei eine spannende Entstehungsgeschichte und besitzt höchst eindrucksvolle Fähigkeiten.
Was ist Gips und wie entsteht der Rohstoff?
Gips (chemische Formel: CaSO₄∙2H₂O), also Calciumsulfat-Dihydrat, ist ein Mineral aus der Klasse der Sulfate. Der Name leitet sich vom griechischen Wort γύψος (»gypsos«, gebrannter Gips, Kreide) ab. Gipsminerale bilden prismatische oder tafelige Kristalle aus und sind in ihrer Reinform weiß. Gips ist sowohl Mineral als auch Gestein. Durch Beimischungen oder Verunreinigungen kann Gipsstein auch gräulich, gelblich, rötlich oder bräunlich getönt sein.
Der Gips in der Altertheimer Mulde ist circa 240 Millionen Jahre alt (Mittlerer Muschelkalk). Die großen Gipsvorkommen in Deutschland entstanden meist dadurch, dass Bereiche vom offenen Meer abgetrennt wurden und das Meerwasser ohne Frischwasserzufuhr langsam verdunstete.
Bei dieser Verdunstung (Evaporation) des mineralgesättigten Meerwassers kristallisierten dann die Gipsminerale aus und lagerten sich auf dem Meeresgrund ab. Dadurch entstanden sogenannte Verdampfungsgesteine (Evaporite).
Heute lässt sich Gipsstein auf der ganzen Welt finden. In Deutschland kommt er vor allem in Hessen, Thüringen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern vor.
2022 ist Gipsstein vom Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler zum Gestein des Jahres ernannt worden.
Auch in der biologischen Landwirtschaft
ist Gips ein bedeutender Mineraldünger.
Wozu brauchen wir Gips?
In erster Linie ist Gips aber ein unverzichtbarer Rohstoff für die Bauindustrie: Ob etwa in Massiv- oder Fertighäusern, beim Aufstocken bestehender Gebäude, beim Leichtbau, als Trennwand, in Form von Decken, Putzen oder Estrichen oder als Zuschlagstoff im Zement – stets kommt Gips zum Einsatz. So sorgt er zum Beispiel für den Schall- und Brandschutz und ein behagliches Wohnraumklima.
Allein hierzulande liegt der Bedarf bei 10 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Vorteile von Gips liegen auf der Hand: Er ist im Vergleich zu vielen anderen Baustoffen umweltfreundlich, leicht, bezahlbar – und in Deutschland regional in großen Mengen natürlich vorhanden.
Gips schafft bezahlbaren Wohnraum
Deutschland steht derzeit vor großen Herausforderungen, um neuen Wohnraum zu schaffen.
Zum einen fehlen hunderttausende bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen. Zum anderen sind die Preise für Baustoffe und Handwerksleistungen stark gestiegen, und es mangelt aufgrund von Lieferengpässen an Materialien.
Gips ist unverzichtbar, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Gipsgewinnung
Gips ist nicht nur ein Naturprodukt, es gibt viele unterschiedliche Arten Gips zu gewinnen. Für weitere Informationen einfach auf die einzelne Gipse klicken.
Naturgips
Naturgips kann über- oder untertägig in Steinbrüchen oder Bergwerken gewonnen werden. So auch in der Altertheimer Mulde: Dort wollen wir Gips in einer Tiefe von 70 bis 130 Metern abbauen, mindestens neun Meter unter den grundwasserführenden Schichten. Naturgips deckt heute über die Hälfte des deutschen Gipsbedarfes – mit stark steigender Tendenz.
REA-Gips
Neben Naturgips kommt in der Gipsindustrie bisher vor allem sehr hochwertiger Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA-Gips) zum Einsatz. REA-Gips entsteht vor allem als Nebenprodukt der Kohleverstromung. REA-Gips hat in der Spitze bis zu 70 Prozent unseres Rohstoffmixes ausgemacht. Aktuell liegt der Anteil bei rund 40 Prozent. Durch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung fällt diese wichtige Gipsquelle sukzessive weg. Daher ist es unverzichtbar, zukünftig mehr Naturgips abzubauen.
Recyclinggips
Gegenwärtig lässt sich, trotz großer Anstrengungen, nur ein Bruchteil des Gipsbedarfs in Deutschland durch Recycling decken. Auch die zukünftige Rohstoffversorgung wird Recycling-Gips vor allem auf Grund der geringen Mengen von recycelbaren Gipsabfällen nur in geringem Maße abdecken. Eine Prognose des Umweltbundesamts und des Bundesverband Gips zeigt, dass Gips-Recycling in den 2030er Jahren nur ca. 10 Prozent des Gesamtbedarfs an Gips-Rohstoffen decken kann.
Gips-Import
Synthetische Gipse
Die Geschichte der Gipsverarbeitung
Jahrtausendlange Geschichte
Gips hat sich über Jahrtausende hinweg besonders als Baustoff bewährt. Forscher vermuten, dass die Eigenschaften von Gips zufällig entdeckt wurden, als Gipssteine zur Lagerfeuerbegrenzung genutzt wurden.
Der nicht brennbare Stoff wurde durch die andauernde Hitze mürbe und konnte so zu einem Pulver zerstoßen werden. Durch die Zugabe von Wasser entstand aus diesem Pulver eine vielseitig einsetzbare und beliebig formbare Masse, die von selbst an der Luft hart wurde und sich damit hervorragend als Werkstoff eignete.
Schon vor ca. 11.000 Jahren wurden Innenwandputze aus Gips in Kleinasien verwendet. Vorläufer von Estrichfußböden im heutigen Israel lassen sich auf etwa 7.000 v. Chr. datieren. Die ältesten Kunstfiguren aus Gips sind etwa 8.000 Jahre alt und wurden im heutigen Jordanien entdeckt. Auch wurde Gipsmörtel bereits beim Bau der ägyptischen Pyramiden und der Sphinx eingesetzt.
Zentrale Rolle in der Architekturhistorie
Die Minoer auf Kreta verwendeten Gips vor 4.000 Jahren zum Bau von Wänden und zur Verfüllung von Fugen. Später übernahmen die Menschen im antiken Griechenland dieses Wissen und gaben es wiederum an die Römer weiter, die zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten entdeckten – unter anderem in der Medizin.
Nach dem Mittelalter kam Gips in der Romanik wieder verstärkt zum Einsatz und ist seitdem aus der europäischen Architektur nicht mehr wegzudenken.
Im Barock und Rokoko waren besonders aufwendige Stuckarbeiten weit verbreitet. Aufgrund der hervorragenden feuerhemmenden Wirkung ordnete Ludwig der XIV. im Jahr 1667 sogar einen Gipsüberzug für Fachwerkhäuser an.
Vielseitiger Werkstoff
Zur Zeit der Industrialisierung wurde die Gipstechnologie wissenschaftlich weiterentwickelt und die Bedeutung unterschiedlicher Brenntemperaturen erkannt.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden erste Fertigteile aus Gips in großen Stückzahlen hergestellt. Aus diesen entstanden dann die Gipskartonplatten, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland für den Trockenbau unverzichtbar wurden.
Heute stehen uns Putzgipse, Gipskartonplatten und Werkmörtel mit zahlreichen Produkteigenschaften für unterschiedlichste Anwendungen zur Verfügung. Sie helfen, nicht nur architektonische oder akustische Anforderungen zu erfüllen, sondern auch strenge Kriterien im Brand- oder Schallschutz sowie beim energetischen Wärmeschutz und der Temperaturregulierung.